»Also gut«, sagte Kershaul. Er klimperte einen Ruf auf seinem Hymerkin, und ein Sklave erschien. »Anthony«, sang Kershaul, »du mußt mit Ser Thissell gehen und ihm eine kurze Zeit dienen.«

Der Sklave verbeugte sich, ohne Freude zu zeigen.

Thissell nahm Anthony mit zu seinem Hausboot und befragte ihn ausführlich und notierte sich einige seiner Antworten auf eine Karte. Dann schärfte er Anthony ein, nichts von dem, was sich zugetragen hatte, weiterzuerzählen, und überließ ihn der Obhut von Toby und Rex. Weiterhin erteilte er Anweisung, das Hausboot von der Pier zu entfernen und niemanden an Bord zu lassen, bis er zurückgekehrt wäre.

Er machte sich erneut auf den Weg zum Landeplatz und fand Rolver beim Essen. Es gab gewürzten Fisch, zerstoßene Rinde vom Salatbaum und eine Schüssel mit einer Art Johannisbeeren. Rolver schlug einen Befehl auf dem Hymerkin an, und ein Sklave deckte für Thissell. »Welche Fortschritte machen Ihre Ermittlungen?«

»Ich kann nicht gerade behaupten, daß ich Fortschritte mache«, sagte Thissell. »Ich nehme an, ich kann auf Ihre Hilfe zählen?«

Rolver lachte kurz. »Sie haben meine besten Wünsche.«

»Konkreter gesagt«, fuhr Thissell fort, »ich würde gerne einen Sklaven von Ihnen ausborgen. Nur für kurze Zeit.«

Rolver hörte auf zu essen. »Wozu denn?«

»Das möchte ich lieber nicht erklären«, sagte Thissell. »Aber Sie können versichert sein, daß ich diese Bitte nicht leichtfertig ausspreche.«

Rolver rief unfreundlich einen Sklaven und übergab ihn Thissell.

Auf dem Rückweg zu seinem Hausboot machte Thissell bei Welibus’ Büro Halt.

Welibus blickte von seiner Arbeit auf. »Guten Nachmittag, Ser Thissell.«

Thissell kam gleich zur Sache. »Ser Welibus, würden Sie mir für ein paar Tage einen Ihrer Sklaven leihen?«

Welibus zögerte und zuckte dann die Achseln. »Warum nicht?« Er schlug sein Hymerkin an; ein Sklave erschien. »Einverstanden mit ihm? Oder würden Sie eine junge Frau vorziehen?« Er lachte ziemlich beleidigend, wenigstens empfand Thissell das so.

»Doch, er geht schon. Sie bekommen ihn in ein paar Tagen zurück.«

»Hat keine Eile.« Welibus machte eine wegwerfende Handbewegung und ging wieder an die Arbeit.

Thissell kehrte zu seinem Hausboot zurück, wo er jeden der beiden neuen Sklaven einzeln befragte und sich Notizen machte.

Die Dämmerung zog weich über den Titanischen Ozean. Toby und Rex skullten das Hausboot von der Pier weg und hinaus auf die seidigen Wellen. Thissell saß auf Deck und lauschte dem Klang weicher Stimmen und dem Klimpern von Musikinstrumenten. Die Lichter der vorbeiziehenden Hausboote schimmerten gelb und wassermelonenrot. Das Ufer war finster; bald würden die Nachtmänner kommen und den Unrat durchstöbern und eifersüchtig aufs Wasser hinausstarren.

In neun Tagen flog die Buenaventura planmäßig Sirene an. Thissell hatte Befehl, nach Polypolis zurückzukehren. Würde er in neun Tagen Haxo Angmark ausfindig machen können?

Neun Tage waren keine lange Zeit, sagte sich Thissell. Aber vielleicht würde sie ausreichen.

Zwei Tage verstrichen, und drei, und vier, und fünf. Jeden Tag ging Thissell an Land, und jeden Tag wenigstens einmal besuchte er Rolver, Welibus und Kershaul.

Jeder reagierte anders auf seine Angelegenheit. Rolver war zynisch und reizbar; Welibus förmlich und, wenigstens oberflächlich, freundlich; Kershaul mild und weltmännisch, aber auffällig unpersönlich und in seinen Gesprächen distanziert.

Thissell ging nicht auf Rolvers mürrische Art, Welibus’ Heiterkeit und Kershauls Zurückgezogenheit ein. Und jeden Tag, wenn er auf sein Hausboot zurückkehrte, machte er sich Notizen auf seiner Karte.

Der sechste, der siebente, der achte Tag kamen und gingen. Rolver erkundigte sich mit ziemlich brutaler Geradlinigkeit, ob Thissell eine Passage auf der Buenaventura buchen wollte. Thissell überlegte und sagte dann: »Ja, Sie sollten eine Passage für eine Person reservieren.«

»Zurück in die Welt der Gesichter«, schauderte Rolver. »Gesichter! Überall bleiche, fischäugige Gesichter. Münder, weich wie Pulpe, knollige Nasen mit Löchern; flache, schwabbelige Gesichter, eins wie das andere. Ich glaube nicht, daß ich das noch einmal ertragen könnte, nachdem ich hier gelebt habe. Zum Glück sind Sie kein richtiger Sirenese geworden.«

»Aber ich werde nicht zurückgehen«, sagte Thissell.

»Ich dachte, Sie wollten, daß ich eine Passage buche.«

»Das will ich auch. Und zwar für Haxo Angmark. Er wird nach Polypolis zurückkehren, und zwar in der Arrestzelle.«

»Nun, nun«, sagte Rolver. »Sie haben ihn also ausfindig gemacht.«

»Natürlich«, sagte Thissell. »Sie nicht?«

Rolver zuckte die Achseln. »Er ist entweder Welibus oder Kershaul, mehr weiß ich nicht. Solange er seine Maske trägt und sich Welibus oder Kershaul nennt, bedeutet mir das nichts.«

»Mir bedeutet es sehr viel«, sagte Thissell. »Um welche Zeit fliegt der Leichter morgen ab?«

»Elf Uhr zweiundzwanzig, pünktlich. Wenn Haxo Angmark mitkommt, dann sagen Sie ihm, er soll pünktlich sein.«

»Er wird hier sein«, versicherte Thissell.

Er machte seinen üblichen Besuch bei Welibus und Kershaul, und als er dann auf sein Hausboot zurückgekehrt war, machte er drei letzte Eintragungen auf seiner Karte.

Die Beweise waren da, ganz klar und überzeugend. Kein absolut unwiderlegbarer Beweis, aber genug, um den nächsten Schritt zu rechtfertigen. Er überprüfte seine Waffe. Morgen war der Tag der Entscheidung. Irrtümer konnte er sich nicht leisten.

Der Tag dämmerte in grellem Weiß, und der Himmel sah aus wie die Innenseite einer Austernmuschel; Mireille ging in irisierenden Nebeln auf. Toby und Rex skullten das Hausboot an die Pier. Die drei anderen Außenwelt-Hausboote dümpelten schläfrig in der Dünung.

Ein Boot beobachtete Thissell besonders aufmerksam, jenes, dessen Besitzer Haxo Angmark getötet und in den Hafen geworfen hatte. Dieses Boot schob sich jetzt ebenfalls auf die Anlegestelle zu, und Haxo Angmark selbst stand auf dem Vorderdeck. Er trug eine Maske, die Thissell noch nie zuvor gesehen hatte; eine Konstruktion aus scharlachroten Federn, schwarzem Glas und stacheligem grünen Haar.

Thissell mußte seine Haltung bewundern. Ein raffinierter Plan, geschickt ausgedacht und durchgeführt – aber von einer unüberwindbaren Schwierigkeit beeinträchtigt.

Angmark ging wieder unter Deck. Das Hausboot legte an. Sklaven warfen Taue aus und legten die Gangplanke. Thissell, die Waffe schußbereit in der Tasche seines Umhangs, ging auf die Pier hinunter und ging an Bord. Er stieß die Tür zum Salon auf. Der Mann am Tisch hob seine rot-grünschwarz gefärbte Maske überrascht.

Thissell sagte: »Angmark, bitte widersetzen Sie sich nicht und machen Sie keine…«

Etwas Schweres, Hartes packte ihn von hinten; er wurde zu Boden geworfen, die Waffe wurde ihm geschickt entwunden.

Hinter ihm klimperte ein Hymerkin; eine Stimme sang: »Bindet dem Narren die Arme!«

Der Mann, der am Tisch saß, erhob sich und nahm die rotschwarz-grüne Maske ab, so daß man das schwarze Tuch eines Sklaven sehen konnte. Thissell drehte den Kopf. Über ihm stand Haxo Angmark, er trug die Maske des Drachenzähmers, aus schwarzem Metall gefertigt, mit einer Nase wie eine Messerschneide, eingesetzten Augenrohren und drei gezackten Kämmen, die über den Schädel nach hinten verliefen.

Der Ausdruck der Maske war undurchdringlich, aber Angmarks Stimme klang triumphierend. »Ich habe Sie leicht in die Falle gelockt, wie?«

»Das haben Sie«, sagte Thissell. Der Sklave hatte inzwischen seine Handgelenke aneinandergefesselt. Ein Klirren von Angmarks Hymerkin hieß ihn, das Zimmer zu verlassen. »Stehen Sie auf!« sagte Angmark. »Setzen Sie sich in den Stuhl da!«

»Worauf warten wir?« erkundigte sich Thissell.

»Zwei von unseren Leuten sind noch draußen auf dem Wasser. Für das, was ich vorhabe, brauchen wir sie nicht.«

»Und das wäre?«

»Das werden Sie zu gegebener Zeit erfahren«, sagte Angmark. »Wir haben noch eine Stunde Zeit.«

Thissell prüfte seine Fesseln. Sie waren ohne Zweifel fest und sicher.

Angmark setzte sich. »Wie haben Sie mich identifiziert? Ich muß zugeben, daß ich neugierig bin… Kommen Sie, kommen Sie!« schalt er, als Thissell stumm blieb. »Können Sie nicht anerkennen, daß ich Sie besiegt habe? Machen Sie es sich doch nicht so schwer.«

Thissell zuckte die Achseln. »Ich bin von einem grundlegenden Prinzip ausgegangen. Ein Mann kann sein Gesicht maskieren, aber nicht seine Persönlichkeit.«

»Aha«, sagte Angmark. »Interessant. Fahren Sie fort!«

»Ich borgte mir je einen Sklaven von Ihnen und den zwei anderen Außenweltlern aus und befragte sie sorgfältig. Welche Masken hatten Ihre Herrn in dem Monat vor Ihrer Ankunft getragen? Ich legte mir eine Karte an und zeichnete die Antworten auf. Rolver trug etwa achtzig Prozent der Zeit den Tarnvogel, die übrigen zwanzig Prozent verteilten sich zwischen Sophistischer Abstraktion und Schwarzer Feinheit. Welibus hatte etwas für die Helden des Kan-Dachan-Zyklus übrig. Er trug die meiste Zeit den Chalekun, den Tapferen Prinzen, und den Seefalken: sechs von acht Tagen. Die zwei anderen Tage trug er seinen Südwind oder seinen Munteren Begleiter. Kershaul, der viel konservativer war, zog die Höhleneule, den Sternenwanderer und zwei oder drei andere Masken vor, die er gelegentlich trug.

Wie gesagt, ich beschaffte mir diese Information von der wahrscheinlich verläßlichsten Quelle, den Sklaven. Mein nächster Schritt bestand darin, Sie alle drei zu überwachen. Ich notierte mir jeden Tag, was für Masken Sie trugen, und verglich das mit meiner Karte. Rolver trug seinen Tarnvogel sechsmal, seine Schwarze Feinheit zweimal. Kershaul trug seine Höhleneule fünfmal, seinen Sternwanderer einmal, seinen Quincunx einmal und sein Ideal der Perfektion einmal. Welibus trug den Smaragdberg zweimal, den Dreifachen Phoenix dreimal, den Tapferen Prinzen einmal und den Haigott zweimal.«

Angmark nickte nachdenklich. »Jetzt erkenne ich, was ich falsch gemacht habe. Ich habe aus Welibus’ Masken gewählt, aber nach meinem eigenen Geschmack – und wie Sie sagen, mich dabei verraten. Aber nur Ihnen.« Er stand auf und ging ans Fenster. »Kershaul und Rolver kommen jetzt an Land; sie werden gleich hier vorbeikommen und ihren Geschäften nachgehen – obwohl ich bezweifle, daß sie sich einmischen würden; sie sind beide gute Sirenesen geworden.«

Thissell wartete stumm. Zehn Minuten verstrichen. Dann holte Angmark ein Messer von einem Regal. Er sah Thissell an. »Stehen Sie auf!«

Thissell erhob sich langsam. Angmark trat von der Seite neben ihn, schnitt und hob die Mondmotte von Thissells Kopf. Thissell schnaufte erschreckt auf und versuchte vergeblich, sie festzuhalten. Zu spät. Sein Gesicht war nackt und bloß.

Angmark wandte sich ab, nahm die eigene Maske ab und setzte die Mondmotte auf. Er schlug einen Akkord auf seinem Hymerkin an. Zwei Sklaven traten ein und blieben erschrocken stehen, als sie Thissell erblickten.

Angmark spielte ein schnelles Stakkato und sang: »Tragt diesen Mann an Land.«

»Angmark«, schrie Thissell. »Ich bin maskenlos!«

Die Sklaven packten ihn und schleppten ihn, obwohl Thissell sich verzweifelt wehrte, aufs Deck, über den Ponton und auf die Pier hinüber.

Angmark befestigte ein Seil um Thissells Hals. Er sagte: »Sie sind jetzt Haxo Angmark, und ich bin Edwer Thissell. Welibus ist tot. Und Sie werden bald tot sein. Ich kann Ihren Posten ohne Schwierigkeit übernehmen. Ich werde Musikinstrumente wie ein Nachtmann spielen und wie eine Krähe singen. Ich werde die Mondmotte tragen, bis sie verfault, und mir dann eine andere besorgen. Der Bericht wird nach Polypolis gehen, Haxo Angmark ist tot. Alle werden sich wieder beruhigen.«

Thissel hörte ihn kaum. »Das können Sie nicht tun«, flüsterte er. »Meine Maske, mein Gesicht…« Eine vierschrötige Frau in einer blau und rosafarbenen Blumenmaske kam die Pier entlang. Sie sah Thissell, stieß einen durchdringenden Schrei aus und warf sich zu Boden.

»Kommen Sie!« sagte Angmark munter. Er zog an dem Seil und zerrte Thissel damit hinter sich her. Ein Mann in der Maske eines Piratenkapitäns, der von seinem Hausboot heraufkam, stand vor Staunen erstarrt da.

Angmark spielte den Zachinko und sang: »Seht den notorischen Verbrecher Haxo Angmark. Auf allen äußeren Welten verunglimpft man seinen Namen; jetzt ist er gefangen und wird in Schande zu seinem Tode geführt. Seht Haxo Angmark!«

Sie bogen in die Esplanade ein. Ein Kind schrie verängstigt auf; ein Mann rief heiser etwas Unverständliches. Thissell stolperte; Tränen flossen aus seinen Augen; er konnte nur undeutliche Umrisse und Farben erkennen. Angmarks Stimme hallte voll: »Seht alle den Verbrecher der Außenwelten, Haxo Angmark! Tretet näher und werdet Zeuge seiner Exekution!«

Thissel rief mit schwächlicher Stimme: »Ich bin nicht Angmark; ich bin Edwer Thissell; er ist Angmark.« Aber niemand hörte auf ihn. Ringsum hallten Rufe des Ekels, des Schreckens und der Angst, als die Menge sein Gesicht sah. Er rief Angmark zu: »Geben Sie mir meine Maske, ein Sklaventuch…«

Angmark jubilierte: »In Schande hat er gelebt, in maskenloser Schande stirbt er.«

Ein Waldkobold stand vor Angmark. »Mondmotte, wir begegnen uns wieder.«

Und Angmark sang: »Tretet zur Seite, mein Kobold! Ich muß diesen Verbrecher hinrichten. In Schande hat er gelebt, in Schande stirbt er!«

Eine Menge hatte sich um die Gruppe gesammelt; Masken starrten Thissell in morbider Erregung an.

Der Waldkobold entriß Angmark das Seil und warf es zu Boden. Die Menge brüllte. Stimmen riefen: »Kein Duell, kein Duell! Tötet das Monstrum!«

Ein Tuch wurde Thissell über den Kopf geworfen. Thissell erwartete, daß ein Messer ihn durchbohrte. Doch statt dessen wurden seine Fesseln zerschnitten. Hastig zog er sich das Tuch zurecht, verbarg sein Gesicht und spähte durch die Falten hinaus.

Vier Männer packten Haxo Angmark. Der Waldkobold baute sich vor ihm auf und spielte das Skaranyi. »Vor einer Woche wolltest du mir meine Maske abreißen; jetzt hast du dein perverses Ziel erreicht!«

»Aber er ist ein Verbrecher«, rief Angmark. »Ein notorischer Verbrecher, berüchtigt!«

»Was sind seine Missetaten?« sang der Waldkobold.

»Er hat gemordet, betrogen; Schiffe vernichtet; gefoltert, erpreßt, geraubt, Kinder in die Sklaverei verkauft; er hat…«

Der Waldkobold unterbrach ihn. »Eure religiösen Differenzen interessieren nicht. Aber für deine gegenwärtigen Verbrechen können wir uns verbürgen!«

Der Stallknecht trat vor. Mit wilder Stimme sang er: »Diese unverschämte Mondmotte hat vor neun Tagen versucht, mein bestes Tier zu nehmen!«

Ein anderer Mann schob sich in den Vordergrund. Er trug einen Universalexperten und sang: »Ich bin Meister-Maskenmacher; ich erkenne diese Mondmotte, einen Außenweltler! Erst vor kurzer Zeit betrat er meinen Laden und verspottete mein Geschick. Er verdient den Tod!«

»Tod diesem Ungeheuer von einem Außenweltler!« schrie die Menge. Eine Woge von Menschen drängte nach vorne. Stählerne Klingen hoben sich und senkten sich, und das blutige Werk war getan.

Thissell sah zu, unfähig, sich zu bewegen. Der Waldkobold trat vor und sang streng zu den Klängen seines Stimic: »Mit Euch haben wir Mitleid – hegen für Euch aber auch Verachtung. Ein echter Mann würde sich nie solche Unwürdigkeit gefallen lassen!«

Thissell atmete tief. Dann griff er an seinen Gürtel und fand sein Zachinko. Er sang: »Mein Freund, Ihr tut mir unrecht! Wißt Ihr nicht wahren Mut zu schätzen? Würdet Ihr es vorziehen, im Kampf zu sterben, oder maskenlos über die Esplanade zu gehen?«

Der Waldkobold sang: »Darauf gibt es nur eine Antwort. Ich würde zuerst im Kampfe sterben; die Schande könnte ich nicht ertragen.«

Thissell sang: »Die Wahl hatte ich. Ich konnte mit gefesselten Händen kämpfen und sterben – oder Schande erleiden und durch diese Schande meinen Feind besiegen. Ihr gebt zu, daß Euch der Strakh fehlt, um diese Tat zu vollbringen. Ich habe mich als Held der Tapferkeit erwiesen! Ich frage, wer von euch hat den Mut, zu tun, was ich getan habe?«

»Mut?« fragte der Waldkobold. »Ich fürchte nichts, bis zum Tod von der Hand der Nachtmänner und darüber hinaus!«

»Dann gebt Antwort!«

Der Waldkobold trat einen Schritt zurück. Er spielte einen Doppel-Kamanthil. »Tapferkeit, fürwahr, wenn dies Euer Motiv war.«

Der Stallknecht schlug ein paar halblaute Gomapard-Akkorde an und sang: »Kein Mann unter uns hätte gewagt, was dieser maskenlose Mann getan hat.«

Die Menge murmelte Zustimmung. Der Maskenmacher trat auf Thissell zu und strich untertänig seinen Doppel-Kamanthil. »Ich bitte Euch, Lord Heros, tretet in meinen Laden und vertauscht diesen schmutzigen Fetzen gegen eine Maske, die Euer würdig ist.«

Ein anderer Maskenmacher sang: »Ehe Ihr wählt, Lord Heros, seht Euch meine Kreationen an!«

Ein Mann in der Maske eines Himmelvogels trat ehrfürchtig an Thissell heran. »Ich habe soeben ein prunkvolles Hausboot fertiggestellt; siebzehn Jahre habe ich an ihm gearbeitet. Gewährt mir die Ehre, dieses herrliche Fahrzeug anzunehmen und zu benutzen; an Bord erwarten Euch geschickte Sklaven und zierliche Jungfrauen; es hat reichlich Wein geladen, und die Decks sind mit seidenen Teppichen belegt.«

»Danke«, sagte Thissell und schlug den Zachinko selbstbewußt an. »Ich nehme mit Vergnügen an. Aber zuerst eine Maske.«

Der Maskenmacher spielte einen fragenden Triller auf dem Gomapard. »Würde der Lord Heros einen Seedrachen-Eroberer als unter seiner Würde betrachten?«

»Keineswegs«, sagte Thissell. »Ich halte ihn für passend und befriedigend. Ich werde ihn mir ansehen.«

Originaltitel: »The Moon Moth« Copyright © 1961 by Galaxy Publishing Corporation (in »Galaxy«, August 1961) Deutsche Übersetzung von Heinz Nagel